Am Freitag,
29. Juli, verliessen wir Irkutsk und sind wieder unterwegs. Durch wenig
spannende Vororte und hübsche Datschasiedlungen gelangten wir auf die
Magistrale M55, die uns Richtung Baikal führte.
Die Fahrt war abwechslungs- und
kurvenreich durch das Olkha-Plateau. Dieser ausgesprochene hügelige Teil war
auch für die Transsibirische Eisenbahn der schwierigste Abschnitt, galt es
doch, viele Kunstbauten wie Brücken und Tunnels zu bauen. Kurz vor Kultuk
eröffnete sich uns ein prächtiger Ausblick über den Baikalsee.
Danach
führte die gut ausgebaute Strasse dem Baikal entlang.
Unterwegs haben wir am
Strassenrand frische Beeren und geräucherten Omul gekauft. Omul ist ein sehr
schmackhafter Fisch, der ausschliesslich im Baikal vorkommt.
Unser
heutiger Zielort Posolskoe erreichten wir am frühen Abend und genossen das
Strandleben.
Sogar baden konnten wir im warmen Wasser des Baikals. Die
Ortschaft Posolskoe liegt am Südwestende des Selenga-Deltas und beherbergt ein
grosses orthodoxes Männerkloster direkt am Ufer. Ein malerisches Plätzchen zum
Übernachten mit pittoreskem Sonnenuntergang.
Tags darauf
machten wir uns auf den Weg, um Rimma und ihre Familie in ihrem Dorf Khayan in
Südburjatien zu besuchen. Es sind alte Bekannte von mir, die ich schon seit
Jahren besuche. Ethisch zählen sie zu den Burjaten, welche zu den mongolischen
Stämmen gehören. Kurz nach Ulan-Ude sahen wir uns ein buddhistisches Heiligtum
an, von wo wir einen weiten Blick über die Umgebung hatten.
Etwa eine halbe
Stunde später hielten wir bei einem weiteren Heiligtum, dem Löwenfelsen. Auch hier
eröffnete sich uns ein weiter Blick über das Land.
Ganz oben auf dem Felsen gab
es noch uralte Löcher in den Steinen, die vermutlich für Signalfeuer dienten.
Ausserdem
war der Magirus auch immer wieder ein beliebtes Fotosujet...
Doch etwa
30 Kilometer vor dem Ziel passierte es nochmals: wieder ein Schlagloch und
wieder schlug die Vorderachse mit voller Wucht auf die Ölwanne auf! Diesmal war
das Loch bedeutend grösser. Zum Glück bemerkte ich es sofort und hatte noch von
diesem sagenhaften Knetmetall dabei. So konnte ich das Loch reparieren und die
Fahrt konnte ganz vorsichtig weitergehen. Da wir einige Tage bei Rimma und
ihrer Familie verbringen wollten, bestand auch die berechtigte Hoffnung, das
Problem zu beheben. Wir kamen am Abend auf jeden Fall noch rechtzeitig an.
Sogleich konnte ich das Problem mit Rimmas Schwiegersohn Schargal besprechen.
Nach dem herzlichen Empfang gab es ein ausgiebiges Nachtmahl mit Vodka und
Gesang.
Übrigens wird immer gegessen zum Vodkatrinken, und bei jedem neuen Glas
gibt es eine Ansprache oder ein Lied. Wir sassen lange draussen und genossen
den lauen Sommerabend.
An diesem
Sonntag fuhr Schargal und Nadja (Tochter Rimmas) mit ihrem Sohn nach Ulan-Ude, wo
er in ein Sommerlager ging. Wir, d.h., Anna, Jan, Lisa und ich badeten und
sonnten uns am nahen Fluss Khilok. War ganz angenehm.
Als wir am späteren
Nachmittag zurückkehrten, gab es schon wieder Essen. Faulenzen macht
hungrig...! In der Nacht entlud sich ein heftiges Gewitter mit starkem Sturm
über der Gegend. Das war insofern blöd, als wir den Magirus am Morgen putzten
und staubsaugten und nun durch den groben Wind wieder alles staubig und sandig
war...
Heute, wir
schreiben bereits Montag, 1. August, war eigentlich Fischen und Reiten
angesagt. Lisa und ich konnten dann so gegen vier Uhr nachmittags auf die
Pferde steigen und losreiten. Das war ganz toll, stand doch nichts im Wege, es
gab keine Strassen, keine eingezäunten Felder.
Leider klappte das mit dem
Fischen nicht, die Fischer werden erst wieder ab dem 8. August in See stechen.
Zum Znacht bereitete ich eine Lammkeule vor, die ich glücklicherweise vor dem
Wasserbad retten konnte. Am Nachmittag mariniert, entwickelte sich die Keule
prächtig auf dem nächtlichen Feuer. Ein Festschmaus zur später Stunde. Ein
Gigot zum 1. August. Nur das Feuerwerk fehlte.
Am nächsten
Tag sollte der Magirus repariert werden. Nadja arbeitet in der nahegelegenen
Kohlemine und die haben da eine grosse Werkstatt. Also fragte ich Nadja, ob es
möglich sei, die Reparatur in dieser Werkstatt durchzuführen. Am Nachmittag um
zwei kam dann der positive Bescheid. Das dauerte so lange, weil die
Werksleitung zuerst den Generaldirektor in St. Petersburg um Erlaubnis fragen
musste. Ich fragte Schargal am Morgen, ob es überhaupt möglich sei, in diesem
streng abgesperrten Gelände die Reparatur zu machen. Darauf meinte er, in
Russland sei alles möglich. Und wenn es möglich ist, ist alles möglich. Es ist
definitiv das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Also, nachdem der
Generaldirektor sein Einverständnis gab, fuhren Jan, Schargal und in zur
Kohlemine. Wir wollen ein Zwischenstück zwischen Achse und Federpaket
montieren, damit der Federweg vergrössert wird. Zuerst wurde natürlich der
Magirus von der gesamten Belegschaft unter die Lupe genommen, dann begannen
zwei Mechaniker zu arbeiten.
Wir durften ja nicht mithelfen, so standen wir
blöd daneben. Nadja zeigte uns noch ihr Büro, sie ist die
Personaladministratorin des Werkes. In der Werkskantine assen wir eine
Kleinigkeit und gingen wieder zurück in die Werkstatt. Um sieben Uhr abends war
die Reparatur beendet und die Achse ist jetzt bedeutend weiter weg von der
Ölwanne. Jetzt kann ich nun beruhigter fahren. Irgendwie fühlt sich jetzt die
Federung auch härter an. Bezahlen durfte ich die Reparatur nicht, es reichte,
wenn ich den Mechanikern ein paar Souvenirs aus der Schweiz überreichte. Wieder
eine absolut grosszügige Geste, welche für mich wieder einmal mehr den
Charakter der Menschen in diesem Land widerspiegelt. Wenn es möglich ist, ist
alles möglich!
Der heutige
Tag war auch unser letzter bei unserer burjatischen Familie, welche uns zuvorkommend
und sättigend umsorgte. Zum Abendessen gab es Pjelmeni und Nadjas berühmte
Torte. Und natürlich Vodka und eine Menge schöner Ansprachen.
Am nächsten
Morgen, nach einem deftigen Frühstück mit gebratenem Fleisch und
Kartoffelstock, nahmen wir schweren Herzens Abschied.
Uns zieht es wieder an
den Baikal. Ich wählte eine andere Strecke als die Hinfahrt, wollten wir doch
nahe Ulan-Udes das buddhistische Kloster Ivolginsk besuchen. Dies ist die
grösste und wichtigste Klosteranlage der Buddhisten in Russland.
Was das
Kloster weltweit absolut einmalig macht, ist das Wunder um den Lama
Daschi-Doscho Itigelow. Im Jahre 1927 soll er im Lotossitz während der
Meditation verstorben sein. Seinem Testament zufolge sollte er im Abstand von
mehreren Jahren exhumiert werden. Erstmals erfolgte dies 1955 und wieder 1973.
Als er exhumiert wurde, stellten die Mönche mit Erstaunen fest, dass es keine
Zeichen der Verwesung oder des Verfalls an Itigelows Körper gab. Aus
berechtigter Angst von den antireligiösen kommunistischen Behörden wurde dieses
Ereignis bis 2002 geheim gehalten. Heute gilt Daschi-Dorscho Itigelow als
lebendige Person und wird von buddhistischen Mönchen der ganzen Welt verehrt.
Da der Buddhismus eine sehr tolerante Religion ist, darf er auch von allen
Menschen besucht werden. So auch wir. Ein sonderbares Ereignis. Vgl. dazu den
Wikipedia-Artikel „Daschi-Dorscho Itigelow“. Die restliche Führung durch die
Klosteranlage war für uns ebenfalls sehr interessant und lehrreich. Trotzdem
blicke ich keineswegs besser durch das buddhistische Universum, dass sich mir
nicht wirklich erschliesst mit der ganzen Symbolik und umfassenden Götterwelt.
Am Abend landeten wir wieder ziemlich rasch in unserem wohlbekannten Universum,
als wir die gemütliche Raststätte nahe des Flusses Selenga betraten...
Am nächsten
Tag fuhren wir via das Selenga-Delta wieder nach Posolskoje um uns am Baikal zu
erholen. Nachdem es tagsüber regnete, tat sich der Himmel über dem See wieder
auf und so konnten wir den ganzen Nachmittag draussen an der Sonne verbringen.
Nachtessen mit Sonnenuntergang am Strand, weit und breit kein Mensch. Was will
man (und frau) mehr?
So beschlossen wir, noch einen Tag am See zu verbringen.
Doch leider war das Wetter eher wie in der Bretagne, windig und regnerisch. Es
reichte aber trotzdem für einen ausgedehnten Strandspaziergang, ein Besuch im
nahen Kloster und im Dorf sowie spielen im Magirus.
Wow! Das mutet nach einer grossartigen Reise an!
AntwortenLöschenDann haut mal schön rein! Bin schon gespannt auf die Sendung! Liebe Grüsse, Rebekka