Freitag, 5. August 2016

Burjatien von seiner besten Seite

Am Freitag, 29. Juli, verliessen wir Irkutsk und sind wieder unterwegs. Durch wenig spannende Vororte und hübsche Datschasiedlungen gelangten wir auf die Magistrale M55, die uns Richtung Baikal führte. 


Die Fahrt war abwechslungs- und kurvenreich durch das Olkha-Plateau. Dieser ausgesprochene hügelige Teil war auch für die Transsibirische Eisenbahn der schwierigste Abschnitt, galt es doch, viele Kunstbauten wie Brücken und Tunnels zu bauen. Kurz vor Kultuk eröffnete sich uns ein prächtiger Ausblick über den Baikalsee. 

 
Danach führte die gut ausgebaute Strasse dem Baikal entlang. 



Unterwegs haben wir am Strassenrand frische Beeren und geräucherten Omul gekauft. Omul ist ein sehr schmackhafter Fisch, der ausschliesslich im Baikal vorkommt.
Unser heutiger Zielort Posolskoe erreichten wir am frühen Abend und genossen das Strandleben. 


Sogar baden konnten wir im warmen Wasser des Baikals. Die Ortschaft Posolskoe liegt am Südwestende des Selenga-Deltas und beherbergt ein grosses orthodoxes Männerkloster direkt am Ufer. Ein malerisches Plätzchen zum Übernachten mit pittoreskem Sonnenuntergang.


Tags darauf machten wir uns auf den Weg, um Rimma und ihre Familie in ihrem Dorf Khayan in Südburjatien zu besuchen. Es sind alte Bekannte von mir, die ich schon seit Jahren besuche. Ethisch zählen sie zu den Burjaten, welche zu den mongolischen Stämmen gehören. Kurz nach Ulan-Ude sahen wir uns ein buddhistisches Heiligtum an, von wo wir einen weiten Blick über die Umgebung hatten. 


Etwa eine halbe Stunde später hielten wir bei einem weiteren Heiligtum, dem Löwenfelsen. Auch hier eröffnete sich uns ein weiter Blick über das Land. 


Ganz oben auf dem Felsen gab es noch uralte Löcher in den Steinen, die vermutlich für Signalfeuer dienten. 


Ausserdem war der Magirus auch immer wieder ein beliebtes Fotosujet...


Doch etwa 30 Kilometer vor dem Ziel passierte es nochmals: wieder ein Schlagloch und wieder schlug die Vorderachse mit voller Wucht auf die Ölwanne auf! Diesmal war das Loch bedeutend grösser. Zum Glück bemerkte ich es sofort und hatte noch von diesem sagenhaften Knetmetall dabei. So konnte ich das Loch reparieren und die Fahrt konnte ganz vorsichtig weitergehen. Da wir einige Tage bei Rimma und ihrer Familie verbringen wollten, bestand auch die berechtigte Hoffnung, das Problem zu beheben. Wir kamen am Abend auf jeden Fall noch rechtzeitig an. Sogleich konnte ich das Problem mit Rimmas Schwiegersohn Schargal besprechen. Nach dem herzlichen Empfang gab es ein ausgiebiges Nachtmahl mit Vodka und Gesang. 


Übrigens wird immer gegessen zum Vodkatrinken, und bei jedem neuen Glas gibt es eine Ansprache oder ein Lied. Wir sassen lange draussen und genossen den lauen Sommerabend.
An diesem Sonntag fuhr Schargal und Nadja (Tochter Rimmas) mit ihrem Sohn nach Ulan-Ude, wo er in ein Sommerlager ging. Wir, d.h., Anna, Jan, Lisa und ich badeten und sonnten uns am nahen Fluss Khilok. War ganz angenehm. 


Als wir am späteren Nachmittag zurückkehrten, gab es schon wieder Essen. Faulenzen macht hungrig...! In der Nacht entlud sich ein heftiges Gewitter mit starkem Sturm über der Gegend. Das war insofern blöd, als wir den Magirus am Morgen putzten und staubsaugten und nun durch den groben Wind wieder alles staubig und sandig war...
Heute, wir schreiben bereits Montag, 1. August, war eigentlich Fischen und Reiten angesagt. Lisa und ich konnten dann so gegen vier Uhr nachmittags auf die Pferde steigen und losreiten. Das war ganz toll, stand doch nichts im Wege, es gab keine Strassen, keine eingezäunten Felder. 


Leider klappte das mit dem Fischen nicht, die Fischer werden erst wieder ab dem 8. August in See stechen. Zum Znacht bereitete ich eine Lammkeule vor, die ich glücklicherweise vor dem Wasserbad retten konnte. Am Nachmittag mariniert, entwickelte sich die Keule prächtig auf dem nächtlichen Feuer. Ein Festschmaus zur später Stunde. Ein Gigot zum 1. August. Nur das Feuerwerk fehlte.
Am nächsten Tag sollte der Magirus repariert werden. Nadja arbeitet in der nahegelegenen Kohlemine und die haben da eine grosse Werkstatt. Also fragte ich Nadja, ob es möglich sei, die Reparatur in dieser Werkstatt durchzuführen. Am Nachmittag um zwei kam dann der positive Bescheid. Das dauerte so lange, weil die Werksleitung zuerst den Generaldirektor in St. Petersburg um Erlaubnis fragen musste. Ich fragte Schargal am Morgen, ob es überhaupt möglich sei, in diesem streng abgesperrten Gelände die Reparatur zu machen. Darauf meinte er, in Russland sei alles möglich. Und wenn es möglich ist, ist alles möglich. Es ist definitiv das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Also, nachdem der Generaldirektor sein Einverständnis gab, fuhren Jan, Schargal und in zur Kohlemine. Wir wollen ein Zwischenstück zwischen Achse und Federpaket montieren, damit der Federweg vergrössert wird. Zuerst wurde natürlich der Magirus von der gesamten Belegschaft unter die Lupe genommen, dann begannen zwei Mechaniker zu arbeiten. 


Wir durften ja nicht mithelfen, so standen wir blöd daneben. Nadja zeigte uns noch ihr Büro, sie ist die Personaladministratorin des Werkes. In der Werkskantine assen wir eine Kleinigkeit und gingen wieder zurück in die Werkstatt. Um sieben Uhr abends war die Reparatur beendet und die Achse ist jetzt bedeutend weiter weg von der Ölwanne. Jetzt kann ich nun beruhigter fahren. Irgendwie fühlt sich jetzt die Federung auch härter an. Bezahlen durfte ich die Reparatur nicht, es reichte, wenn ich den Mechanikern ein paar Souvenirs aus der Schweiz überreichte. Wieder eine absolut grosszügige Geste, welche für mich wieder einmal mehr den Charakter der Menschen in diesem Land widerspiegelt. Wenn es möglich ist, ist alles möglich!
Der heutige Tag war auch unser letzter bei unserer burjatischen Familie, welche uns zuvorkommend und sättigend umsorgte. Zum Abendessen gab es Pjelmeni und Nadjas berühmte Torte. Und natürlich Vodka und eine Menge schöner Ansprachen.
Am nächsten Morgen, nach einem deftigen Frühstück mit gebratenem Fleisch und Kartoffelstock, nahmen wir schweren Herzens Abschied. 


Uns zieht es wieder an den Baikal. Ich wählte eine andere Strecke als die Hinfahrt, wollten wir doch nahe Ulan-Udes das buddhistische Kloster Ivolginsk besuchen. Dies ist die grösste und wichtigste Klosteranlage der Buddhisten in Russland. 


Was das Kloster weltweit absolut einmalig macht, ist das Wunder um den Lama Daschi-Doscho Itigelow. Im Jahre 1927 soll er im Lotossitz während der Meditation verstorben sein. Seinem Testament zufolge sollte er im Abstand von mehreren Jahren exhumiert werden. Erstmals erfolgte dies 1955 und wieder 1973. Als er exhumiert wurde, stellten die Mönche mit Erstaunen fest, dass es keine Zeichen der Verwesung oder des Verfalls an Itigelows Körper gab. Aus berechtigter Angst von den antireligiösen kommunistischen Behörden wurde dieses Ereignis bis 2002 geheim gehalten. Heute gilt Daschi-Dorscho Itigelow als lebendige Person und wird von buddhistischen Mönchen der ganzen Welt verehrt. 


Da der Buddhismus eine sehr tolerante Religion ist, darf er auch von allen Menschen besucht werden. So auch wir. Ein sonderbares Ereignis. Vgl. dazu den Wikipedia-Artikel „Daschi-Dorscho Itigelow“. Die restliche Führung durch die Klosteranlage war für uns ebenfalls sehr interessant und lehrreich. Trotzdem blicke ich keineswegs besser durch das buddhistische Universum, dass sich mir nicht wirklich erschliesst mit der ganzen Symbolik und umfassenden Götterwelt. Am Abend landeten wir wieder ziemlich rasch in unserem wohlbekannten Universum, als wir die gemütliche Raststätte nahe des Flusses Selenga betraten...


Am nächsten Tag fuhren wir via das Selenga-Delta wieder nach Posolskoje um uns am Baikal zu erholen. Nachdem es tagsüber regnete, tat sich der Himmel über dem See wieder auf und so konnten wir den ganzen Nachmittag draussen an der Sonne verbringen. 


Nachtessen mit Sonnenuntergang am Strand, weit und breit kein Mensch. Was will man (und frau) mehr? 


So beschlossen wir, noch einen Tag am See zu verbringen. Doch leider war das Wetter eher wie in der Bretagne, windig und regnerisch. Es reichte aber trotzdem für einen ausgedehnten Strandspaziergang, ein Besuch im nahen Kloster und im Dorf sowie spielen im Magirus. 




1 Kommentar:

  1. Wow! Das mutet nach einer grossartigen Reise an!
    Dann haut mal schön rein! Bin schon gespannt auf die Sendung! Liebe Grüsse, Rebekka

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