Dienstag, 23. August 2016

Geschüttelt, nicht gerührt...!

Am Montag, 15. August, ging dann ein weiterer Abschnitt meiner Reise los. Ich fuhr mit Maya Richtung Barguzin-Tal. Zuerst aber gab es noch eine kleine Aufnahmesequenz mit dem Kamerateam, da das Wetter gerade so schön war in Irkutsk. 


Am frühen Nachmittag dieses Tages konnten wir losfahren, wieder zum Baikal. Es war eine schöne Fahrt, wenig Verkehr und bestes Wetter. 


In Kultuk, der ersten Station am Baikal, machten wir eine kleine Rast, Maya ging gleich baden. 





Wir waren früh dran, denn ich hatte um 19.00 Uhr mit meiner Bekannten Victoria in Sljudjanka abgemacht. Und wie wir Schweizer halt so sind, trafen wir auch pünktlich ein. Victoria wohnt in einem nicht sehr alten Mehrfamilienhaus in einer besseren Gegend von Sljudjanka. 


Natürlich gab es Pjelmeni (ja, ja... wieder mal Teigtaschen!) zum Znacht, Hacktätschli und gekochte Buchweizen. War alles sehr lecker. Zum Dessert einen selbstgemachten Kuchen. Auch sehr fein. Ich habe mich eigentlich den ganzen Abend vorallem mit ihrem Sohn Simjon unterhalten. Er ist in der Polizeischule, wusste viel zu erzählen über Land und Leute, und wollte auch viel darüber wissen wie das so bei uns läuft. Es war ein anregendes Gespräch und dazu tranken wir fast die ganze Flasche Selbstgebrannten vom Bruder Victorias. Am nächsten Morgen aufgestanden, als wäre nichts gewesen am Vorabend. Der Selbstgebrannte war wirklich exzellenter Stoff! 


An diesem Tag fuhren wir bis Posolskoje, zu meinem Stammplatz direkt am Baikal. Es war ein schöner Tag, nur leider starker und kalter Wind. 


Nichts desto trotz machte ich am Abend ein Feuer und wir sassen noch lange draussen. Der Wind liess am Abend auch etwas nach. 


Die Nacht hindurch starker Regen, am Morgen klarte es auf. Wir beschlossen, den Tag hier am Strand zu verbringen. Am frühen Nachmittag kriegten wir Besuch von vier zum Teil recht angeheiterten Russen. 


Es waren nette Jungs, nur der eine ging uns dann doch langsam auf die Nerven, da er ziemlich angeheitert war. Zur selben Zeit versuchte ein Pärchen mit ihrem SUV vom Dorf her durch den Sumpf zum Strand zu fahren. Das erwies sich als nicht so tolle Idee, da sie im Wasser stecken blieben. Diesmal durfte ich helfen und zog sie aus dem Schlamassel raus. 


Die vier Russen kassierten ab, obwohl sie gar nicht so viel halfen. Doch sie meinten im Vorfeld, es müsse schon eine Flasche Vodka drin liegen für die Hilfe. Ich war der Meinung, Hilfe sei selbstverständlich und gratis. Und so ging ich dann halt leer aus, aber dafür mit gutem Gewissen. Danach verzogen sich die vier Jungs und gingen schätzungsweise Vodka trinken. Uns war es noch so recht. Wir genossen den restlichen Tag mit Spazieren, lesen und nichts tun.
An diesem Donnerstag fuhren wir rechtzeitig los. Zum Glück, denn der Bahnübergang bei der Hauptstrasse Irkutsk – Ulan-Ude war wegen Bauarbeiten geschlossen. 


Aber natürlich nichts angeschrieben. So mussten wir ums ganze Selenga-Flussdelta fahren. Auf der Magistale von der DPS (Verkehrspolizei) aus Neugier angehalten. Die beiden Polizisten waren wirklich süss, wollten viel wissen und machten auch gleich noch Fotos innen und aussen vom Magirus. In der Ortschaft Troitskoje besuchten wir das orthodoxe Kloster, denn hier spielen die Mönche ein schönes Glockenspiel jeweils vor und nach der Messe. 



Nur leider waren wir nicht zur Messezeit da. Bei Il’insk fuhren wir mit der Fähre über die Selenga. Die wird vorallem von Holztransportern benutzt. 


Dann ging die Fahrt mal auf besseren, mal auf schlechteren Strassen weiter. Auf alle Fälle waren wir immer wieder gut durchgeschüttelt. 



Unser heutiges Ziel war Gorjachinsk. Ein Kurort am Baikal, der schon sehr lange besteht. Dort angekommen, dann die Überraschung –  Sascha, die Ex-Frau von Valera (auch ein alter Bekannter von mir) kam uns über den Platz entgegen! Freudiges Wiedersehen! 


Sie hat nun ihren Fisch-Verkaufsstand hier in Gorjachinsk. Und sie hatte mich sofort am LKW erkannt. Selbstverständlich verabredeten wir uns gleich, zuerst aber gingen Maya und ich in den Kurpark und zu den wirklich heissen Quellen. Da kann im Schlamm gewatet werden, die Gelenke einschmieren und das Wasser ab Hahnen trinken. Alles gut für die Gesundheit. Nur, das Wasser ist wirklich sehr heiss und es dauert schon seine Zeit, bis sich die Füsse an die Hitze gewohnt haben. 


Nach dem Kneippen gingen wir dann zu Sascha, die gleich ein ganzes Essen in der Beiz hinter ihrem Verkaufsstand organisierte. Also auch eine Art kneipen... Und eine Flasche Vodka musste auch gleich her und alles gebührend zu feiern. 

Ich beschloss dann, nach dem Vodka nicht mehr zu fahren und doch hier zu bleiben und fuhr nur noch an den Strand, obwohl es noch sehr viele Leute hatte und Musik aus den Lautsprechern dröhnte. 


Aber auf der gegenüberliegenden Seite fanden wir ein lauschiges Plätzchen. Und baden konnten wir auch noch einmal. Nur das Abendessen konnten wir getrost auslassen, nachdem uns Sascha wieder mal gemästet hatte. Ich kenne es ja noch von früheren Zeiten...

 
Unsere Reise ging am nächsten Tag weiter, hinein ins Barguzin-Tal. Zuerst besuchten wir die Ortschaft Barguzin. Das ist ein ganz interessantes und altes Städtchen (über 350 Jahre alt) mit vielen Trouvaillen. So gibt es noch einen alten jüdischen Friedhof, das einzige Holzgebäude mit Säulenvordach (eine ehemalige Bank, die eigentlich unter Denkmalschutz steht aber der Staat trotzdem zerfallen lässt), Häuser mit ganz neckischen Dachfriesen, ein absolut sehenswertes Interieur des ehemaligen staatlichen Einkaufszenter und so weiter. 



Da ich zusätzlich auf der Suche nach Felsmalereien war, jedoch nicht so genau weiss, wo sie sich befinden (nur so ungefähr), beschloss ich, in der Stadtbibliothek nachzufragen. Ich dachte mir, dass da die Chancen am grössten sind, weil sie im Städtchen kein Touribüro haben. Gesagt, getan. Und die Bibliotheksfrau bemühte sich auch. Sie sagte, sie werde etwas rauskriegen und wir sollen noch ein Weilchen warten. Das machten wir auch und verbrachten die Wartezeit mit dem Besuch einer Beiz und assen etwas Kleines. 



Danach zurück zur Bibliothek und da bekam ich zwei Telefonnummern mit Adresse von Leuten, die sich offensichtlich auskennen. Die eine Frau spreche sogar Englisch, versicherte sie mir. 


Nun gut, mit diesen Infos in der Tasche fuhren wir noch ein Stück weiter auf zum Teil üblen Holperpisten (wir wurden wieder heftig durchgeschüttelt) und rasteten am See Alginskoje. Das ist ein salzhaltiger Flachwassersee, dessen Schlamm auch gut für die Gesundheit sein soll. Wir waren weit und breit die einzigen. Auch als es Nacht wurde, sahen wir rund um uns herum kein einziges Licht. Am Abend rief ich dann die auf die einte Nummer an und da nahm tatsächlich jemand ab. So konnte ich mich mit Larisa (so hiess diese Frau) für den nächsten Tag verabreden. Wir waren ja sehr gespannt, was das werden sollte. 



Tags darauf eine kurze, holprige Fahrt nach Suvo, dem Ort, wo Larisa wohnt und wo es auch die bekannten Felsformationen, geformt von Wind und Wetter, zu bestaunen gab. Wir kraxelten den halben Tag in den Felsen rum und schossen jenste Fotos. Die Sicht in das weite Tal war atemberaubend. 

Nach dem Mittag gingen wir zurück ins Dorf und fragten uns nach Larisa durch. 


Doch zu unserem Erstaunen war sie gar nicht zu Hause. Nun gut, wir waren auch zu früh da. Irgendwann konnte ich sie telefonisch erreichen und sie meinte, sie werde in etwa 30 Minuten da sein mit ihrer Freundin.


 Und das war dann auch so. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie, Larisa, eine Art Fremdenführerin ist, so wie mir das die Dame in der Bibliothek gesagt hatte. Doch dem war nicht so, sie ist „bloss“ Lehrerin im Dorf. Doch immerhin konnte sie mir auf der Karte zeigen, wo sich diese Felsmalereien befinden. Ansonsten verbrachten wir einen lustigen und sättigenden Abend bei ihr zu Hause. Und ihr werdet es nicht erraten, was es zum Essen gab – richtig! Posi! Also wieder mal Teigtaschen! Einfach die burjatische Ausführung. 


Ihre Freundin war noch da und ihr Bruder kam dann auch noch nach Hause. Ihm half ich beim flicken des Traktors. Es war wirklich nur ein Flicken und kein Reparieren. Um die Schweissanlage zu betreiben, wurden einfach zwei Drähte über die Hauszuleitung gelegt. Auch sonst war das Ganze sehr abenteuerlich und ich fürchtete um mein Leben, als ich ihm beim Schweissen half... 


Marina kaufte für ihre Tochter noch die Schuluniform von einer fliegenden Händlerin, und die Schokolade aus der Schweiz war ein schönes Geschenk.


Wie dem auch sei, eine Fremdenführerin war und ist Larisa nicht, wir erfuhren aber sonst viel über das Landleben. Wir diskutierten über Heimat und Fremde, über die Unterschiede unserer Länder und Völker, und die jeweilige Wahrnehmung des anderen Landes. Es wurde auch so sehr spät am Abend in der gemütlichen Küche mit riesiger Gefriertruhe und nackter Energiesparglühbirne an der Wand... Ich war ziemlich groggy, was nicht nur auf den Bier- und Vodkakosum zurück zu führen war, denn es ist immer wieder enorm anstrengend, einen ganzen Abend lang Russisch zuzuhören, zu verstehen versuchen und zu sprechen. Und dann wollte ich ja auch für Maya übersetzen.
Am nächsten Morgen brauchte ich das erste Mal den Wecker, um rechtzeitig aufzustehen... Es ging mir aber erstaunlich gut, nur essen konnte ich noch nicht so viel. Wir verabschiedeten uns von Larisa und ihrem Bruder Aleksander und fuhren weiter Richtung Norden. 



Wir sind bei ihnen jederzeit wieder herzlich willkommen. Die Petroglyphen wollen wir auf dem Rückweg suchen gehen. Die Fahrt glich einem Ritt in einem Schüttelbecher, viel mehr als 40 km/h lagen gar nicht drin. Zu sehen gab es unterwegs noch den schamanistisch/buddhistischen Stierstein, der Beschützer des Tales sowie einige Kilometer weiter den "Steingarten". Eine grosse Ansammlung von Findligen. 


Und dann plötzlich brach die Strasse abrupt ab. Die Brücke gibt es nicht mehr, sie ist vor langer Zeit abgebrannt, so wie die Stützpfeiler aussahen. Wieso eine Holzbrücke über einen Fluss mit weit und breit keiner Siedlung in der Nähe abbrennen kann entzieht sich meiner Kenntnisse und stellt immer wieder ein Rätsel dar. Dann sollte es halt eine Flussdurchquerung geben, das Wasser war nicht mehr als 30 bis 40 cm tief. Doch schon nach fünf Metern war Schluss, der sandige Untergrund war viel zu weich für den schweren Magirus. 


Schon wieder festgefahren! Scheint eine Art Anziehung auf mich auszuüben, mich in den weichen Untergrund zu manövrieren! Und jetzt war es wirklich übel, da mit jeder Schaufel Sand, die ich wegmachte, gleich neuen hinzugeschwemmt wurde. Und wieder hatten wir Glück im Unglück, auf der gegenüberliegenden Seite kam ein Kleintransporter angefahren. Ich bat die beiden Burjaten mir zu helfen und sie schauten sich die Situation erst einmal an. Dann telefonierten sie rum und wollten einen Bulldozer organisieren und wieder zurückkommen. Um die Wartezeit zu überbrücken, beschloss ich, den Magirus zu waschen, hier hatte ich ja eine prächtige Gelegenheit...! Nach mehreren Stunden warten, kamen sie dann mit einem Traktor zurück und ihr Kumpel mit einem anderen Traktor. Doch ich sah gleich, dass das niemals reichen wird.



Trotzdem versuchten wir es, mit dem Ergebnis, dass ich mich noch tiefer eingrub. 



Das sahen sie dann auch ein, und organisierten einen alten SIL-6x6-LKW. Gegen Abend traf dieser ein und mit vereinten Kräften schafften wir das schier Unmögliche! 



Ich stand wieder auf dem Trockenen. Was für eine Erleichterung. Für den LKW bezahlte ich 2000 Rubel, Slava und seine Freunde wollten eigentlich nichts, da sie nur helfen wollten. Ich gab ihnen aber trotzdem etwas für Benzin und Vodka. Die Jungs meinten, wir hätten wirklich riesiges Schwein gehabt, da hier praktisch nie jemand vorbeikommt. Erst vor Kurzem stand ein Fahrzeug vier Tage (!) im Fluss bis zu seiner Rettung. Nach diesem weiteren Abenteuer beschlossen Maya und ich, keinen Meter mehr zu fahren und die Nacht bei diesem Fluss zu verbringen.


Am nächsten Tag, wir schreiben schon Montag, den 22. August, fuhren wir wieder ein gutes Stück zurück und durchquerten das Tal von der einen auf die andere Seite, immer Richtung Hauptstrasse. Auf der rechten Talseite gibt es kein Durchkommen. Die Verbindungsstrasse glich mehr einem Bachbett und zur Abwechslung einem Wellblech. 
Und das Wahlplakat unterwegs sowie die Verkehrsbeschilderung hatten auch etwas sehr Absurdes an sich in dieser wilden Gegend. 



Nach ein paar Stunden Kriechfahrt erreichten wir die gut ausgebaute Hauptstrasse und die Fahrt konnte entspannt weitergehen. 


In Kurumkan (Gebietshauptort) schauten wir kurz beim buddhistischen Kloster vorbei, 
wir hielten auch bei diversen buddhistischen Stätten am Strassenrand und brachten Opfer für unsere heilsame Rettung. Nützt es nichts, so schadet’s nichts.


 In einem Dorf gab es noch eine kleinere Fotosession mit Einheimischen, da wir eigentlich nur die Wandmalereien des Schulhauses fotografieren wollten. Unsere Polaroidkamera war der Renner. So konnten wir ihnen auch etwas zurück geben.



Am frühen Abend trafen wir in Kucheger ein, dies ist ein bekannter Kurort mit heissen Quellen und heilsamen Schlammbädern. Das liessen wir uns nicht entgehen und gingen auch baden. Was für eine Wohltat nach den letzten Strapazen... 



Wir gönnten uns auch ein leckeres Nachtessen im Kurort eigenen Gourmetlokal, Gemütlichkeit pur war angesagt...! 


Das Schlammbad tat seine Wirkung und für uns war schon bald Feierabend. Zufrieden und entspannt konnten wir zu frühzeitig zu Bett. Gute Nacht allerseits!



1 Kommentar:

  1. Luki, du brauchst das. Ich meine den Schlamm und ander Riesenlaster, die dich rausziehen...tztztz. Wahnsinn!!!!

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