Donnerstag, 1. September 2016

Weichgekocht

 
An diesem Dienstagmorgen, wir schreiben den 23. August, war es mir nicht so recht nach Aufstehen, also blieb ich noch etwas liegen. 


Irgendwann raffte ich mich dann doch noch auf, frühstückte und ich ging ein Schlammbad nehmen. Kommt gut am Morgen... Auch die Menschen aus dem Dorf nutzen die Gelegenheit, um hier ein Bad zu nehmen. 


Na ja, danach musste ich mich wieder zwei Stunden hinlegen. Irgendwie fährt das schlammbaden schon recht ein. Wir zogen es aber knallhart durch und gingen nach dem Mittag nochmals baden, diesmal in ein Becken, dass nicht mehr ganz so heiss war, dafür mussten wir da nicht anstehen. Und da baden bekanntermassen zehrt, kehrten wir am Abend in unser Stammlokal im Kurort ein um zu speisen. Wie schon gestern war es gemütlich und lecker. Nun ja, mit Senf, Chili- und Sojasauce war es völlig in Ordnung. Und danach kam mir wieder in den Sinn, dass wir ja noch Entlebucher Bier dabei hatten, ein ebenfalls ganz herziges Geschenk von Kramers, meinen Nachbarn. An dieser Stelle nochmals ganz herzlichen Dank! Und so ein Entlebucher Bier bei der Quelle am Ende des Universums ist schon ein magischer Moment... 


Trotzdem hielt uns das nicht davon ab, nachts, als es schon dunkel war, nochmals in die heisse Wanne zu steigen, diesmal ohne Schlamm, nur sehr warmes Wasser. Ich für meinen Teil hatte es sehr romantisch, nahm ich doch eine Kerze mit, was dem Raum eine durchaus angenehme Note gab! Selbstverständlich waren wir danach wieder ziemlich groggy, sodass wir gleich schlafen gingen.
Und da wir rechtzeitig ins Bett gingen, konnten wir auch frühzeitig aufstehen. Maya ging nochmals baden, für mich war das jetzt nichts mehr, da ich noch fahren musste. Und das empfiehlt sich gar nicht. Schon nach ungefähr 40 Minuten Fahrt bogen wir von der Haupttrasse ab und folgten einem Feldweg Richtung Arshan Alla. 

Alla heisst das Dorf bei der Haupttrasse, Arshan ist burjatisch und bedeutet Quelle. Der Weg ging über Feld und Flur, über Stock und Stein, durch Wald und Holz, immer Richtung Berge, hinauf bis Arshan. 




Bei diesem Kurort angelangt, eröffnete sich uns ein derart prächtiges Plätzchen, das haute mich fast um! Ein kleines Plateau, zwei Blockhäuser, ein grösseres und zwei kleinere Gästehäuser, haufenweise Hinweistafeln, alles mitten im Föhrenwald. 


Total romantisch und ab von der Welt. Für mich das schönste Plätzchen der bisherigen Reise! Was für ein guter Tipp wir da bekommen haben von diesem Offroad-Typen, den wir am Baikal kurz vor Kultuk getroffen hatten. Ihr wisst schon, der oben ohne mit den Tätowierungen. Und eben: der Magirus ist immer wieder ein beliebtes Fotosujet...!


Da wir ja schon früh in Arshan Alla waren, beschlossen wir, zuerst zu dem Wasserfall zu gehen und danach in die heisse Wanne zu hocken. Das bedeutete ein kleiner Fussmarsch von etwa einer Stunde durch einen ganz verwunschenen Wald im Tal des Flusses Alla entlang. 


Und wie ich sofort merkte, dass es hier ein ganz und gar himmlischer Platz war und ist, steht es hier zur Bestätigung mit Stein geschrieben „Рай“, bedeutet „Himmel“. 


Ich erwartete nicht allzu viel von dem Wasserfall, da ich diese Erfahrung bereits im Tunkatal gemacht hatte und es sich dabei eher um eine Staustufe handelte. Der Weg zu unserem Wasserfall war aber wildromantisch, der letzte steile Aufstieg durch das Geröllfeld des Baches war gesäumt mit Steinmandli. 


Und eben, da ich nicht allzu viel erwartete, wurde ich auch nicht enttäuscht. Der „Wasserfall“ ist vielleicht fünf Meter hoch. Ich kletterte noch ein gutes Stück höher, aber auch der obere Wasserfall war nicht so gewaltig, wie sich das eigentlich für ein Land wie Russland gehörte. Nichts desto trotz baute ich an höchster Stelle mein Steinmandli, mit Blick über das ganze Tal der Alla. Der Ausblick da oben war ergreifend.


Nachdem wir zurückkamen, mussten wir natürlich sofort in die heisse Wanne hocken und uns weichkochen lassen. Niedergar selbstverständlich... Was für eine Wohltat. Und danach wieder ausruhen. Baden ist auch anstrengend. Vorallem aber die lange, steile Treppe vom Flusstal auf’s Plateau hoch.
Für mich ist Arshan Alla DIE Entdeckung!! Als ich mich einigermassen erholt hatte, erkundete ich die Gegend auf dem Plateau und musste danach sofort wieder baden gehen! 



Und danach geschah das schier unglaubliche, nämlich, dass da tatsächlich jemand mit dem Wohnwagen angefahren kam. Ein furznormaler Wohnanhänger. Und das diesen Waldweg hinauf! So etwas können nur Russen!

Von der Verwalterin dieses Kurortes erfuhr ich viele interessante Sachen über diesen Platz, sie zeigte mir alle Gästehäuser und ich durfte mich in ihr Gästebuch eintragen.
Es lag ja wohl auf der Hand, dass ich mit den Leuten im Wohnwagen ins Gespräch kam. Sie legten Pilze zum Trocknen auf der Motorhaube aus und ich fragte, ob ich welche abkaufen könnte. Konnte ich nicht, denn später, kurz nach unserem Nachtessen, brachte Olga frische und gebratene Pilze vorbei. Und so gab es für uns noch eine Nachspeise. Als ihr Geschirr sauber und mit Schweizer Schokolade zurückbrachte, konnte ich ja nicht gleich wieder gehen, nein, ich musste mich hinsetzen und mit Andrej Selbstgebrannten trinken und Pilze essen! Es waren ganz interessante und gebildete Leute aus Irkutsk, sie waren erst das zweite Mal mit dem Wohnwagen unterwegs und es gefiel ihnen sehr. Auch an diesem Abend gab es noch ein Baden bei Nacht mit Kerzenlicht. 

Von Andrej bekam ich am nächsten Morgen bei der Magirus-Besichtigung gute Tipps für meinen Abstecher in den Oka-Bezirk sowie Telefonnummern von Bekannten vor Ort. Und wir bekamen noch mehr Pilze und eine Flasche Selbstgebrannten. Dafür gab ihnen Maya ein Glas selbstgemachte Konfitüre und darüber freuten sie sich sehr. Wir sollen sie anrufen, wenn wir in Irkutsk sind. Und das will ich auch tun. 


Ich sass am frühen Morgen lange auf einem Stein und war beglückt von der Aussicht über das Tal, schaute dem wechselnden Licht- und Farbenspiel zu und wollte diesen Ort eigentlich gar nicht mehr verlassen...


Die Aussicht auf eine weitere heisse Quelle liess aber mein Herz nicht ganz verzagen und so fuhren wir auf einen Tipp von Olga und Andrej wieder zurück ins Tal, an Kucheger vorbei nach Umkhej.




Da gibt es wie gesagt heisse Quellen und ein angenehm warmes Seeli zum Baden. Das hiess aber für uns erst wieder eine Flussdurchquerung, diesmal aber mit steinigem Untergrund, also problemlos! 



Und Umkhej entpuppte sich als wahren Kurort, so wie wir uns das aus der Schweiz gewohnt sind. Klein und fein. Saubere und nette kleine Gästehäuschen, ein gepflegter Rasen mit Blumenbeeten, überall verstreut Stein- und Astskulpturen, mehrmals am Tag werden die Naturwege gewischt und von Fichtennadeln befreit. 





Die Administratorin erklärte uns die Anlage und die Baderegeln sowie –zeiten. Im See 20 – 25 Minuten vier bis fünf Mal am Tag, in der heissen Quelle maximal fünf Minuten, zwei Mal am Tag. Und Nachtessen haben wir auch gleich reserviert. Aber jetzt war zuerst Mittagessen und baden angesagt. 


Es ist hier in Umkhei ruhig und gemächlich, mir gefällt dieser Ort auch sehr. Und das Baden im warmen See macht Spass. 

Das Nachtessen war diesmal wirklich sehr lecker, frisch zubereitet und vorallem keine Teigtaschen. Es war irgendwie Kartoffelstock mit Pouletfleisch und Gemüse, dazu mit Käse überbacken und nannte sich „Lasagne“. Ja, ja. 


Und da wir noch nicht weichgekocht genug waren, gingen wir nach dem Essen wieder in den See baden und danach in die heisse Quelle. Da stand sogar eine Sanduhr und zeigte die fünf Minuten an. Und es ist eher so, dass man und frau zu früh das Becken verlassen will, es ist wirklich sehr warm! Auf Maya hat das Wasser eine sonderbare Wirkung, sie kriegt danach richtige Lachanfälle. Wir müssen zu Hause die chemische Zusammensetzung genauer analysieren. 


Am nächsten Morgen, es ist bereits Freitag der 26. August, ging Maya nochmals baden, ich erledigte inzwischen das Administrative. Die Direktorin dieses Ferienortes ist ein ganz liebenswerter Mensch und ist mit Herz und Seele dabei. Eigentlich eher der Typ Englische Landlady! Auf jeden Fall will ich hier auch wieder zurückkehren. So fuhren wir um zehn Uhr los und legten unseren ersten Halt im Bezirkshauptort Kurumkan ein. 



Dort besuchten wir das buddhistische Zentrum des Tales. 



Im recht belebten Städtchen suchten wir das örtliche Museum, aber das gab es offenbar nicht mehr. So gingen wir halt in ein Selbstbedienungsrestaurant und nahmen das Mittagsmahl ein. War gar nicht so übel. Zum ersten Mal gut gewürzt. Ein stark frequentiertes Lokal, besonders um die Mittagszeit.

Weiter ging die Fahrt über Wellblechpisten zum nächsten buddhistischen Kloster, Yanzhima. 


Es ist die schönere und grössere Anlage als in Kurumkan, pittoresk gelegen vor der mächtigen Bergkulisse des Barguzinsky Khrebet. Sehr schöne, neuere Anlage. Es gibt einen ganz netten Pfad durch den Wald, gesäumt von blauen Bändern und Steinmanndli, zu einem heiligen Felsen, welcher durch eine natürliche Einfärbung das Bild der Göttin Yanzhima wiedergeben soll. Dies erfuhr ich aber erst durch Nachfragen im Souvenirladen, weil ich auf diesem Stein nichts Konkretes ausmachen konnte. 







Offensichtlich war dies auch ein beliebter Ort, um seinen Kinderwunsch zu deponieren. Entsprechende Puppen können im Souvenirladen gekauft werden...

Am frühen Abend erreichten wir wieder das Dorf Suvo, wo wir nochmals bei Larisa zu Gast sind. 





Ich will einfach diese Petroglyphen (Felszeichnungen) sehen! Ich habe sie schon am Baikal verpasst! Und sie weiss ja anscheinend, wo sie sind. Kaum angekommen, mussten wir uns gleich hinsetzen und essen! Das Programm heute Abend bestand darin, dass wir nach dem Essen zum Schulhaus spazieren und uns das örtliche Museum darin anschauten sowie das Denkmal des Grossen Vaterländischen Krieges. Zuerst aber mussten wir den Schlüssel zum Schulhaus organisieren, dafür wurde das halbe Kader der Schule zusammengetrommelt. Frau Direktorin war natürlich auch zugegen und so waren wir gut aufgehoben im Museum. 


Na ja, es ist ein Raum in dem viele Artefakten der vergangenen Epochen ausgestellt sind. Daneben gab es einen Raum mit sämtlichen Kriegshelden, original Zeitungsausgaben aus den 1940er Jahren und einen weiteren Raum mit den Jahrgangsbüchern der Schule. Und wir durften uns in die Tracht der Ewenken werfen und für Fotos posieren. Es war ein lustiger und spannender Abend. 





Der Rückweg zu Larisas Haus führte uns über die Felsen und den Bach. War gut zum Vorverdauen, denn es gab wieder Essen. 


Maya zog sich danach zurück, sie musste noch viel Tagebuch schreiben und Fotos sortieren, ich sass mit Larisa bis nach Mitternacht in der Küche und versuchte, mit der Konversation mitzuhalten. Sie gab sich jedoch immer wieder sehr viel Mühe, mir das nicht Verstandene zu erklären. Und so ging ein enorm abwechslungsreicher Tag spät zu Ende

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