Am
Donnerstag, 21. Juli, fuhren wir erst nach acht Uhr los. Es soll eine
gemütliche Fahrt werden Heute, wir sind nicht mehr allzu weit von Krasnojarsk
entfernt. Die Landschaft ist immer noch prächtig, das Wetter zeigt sich von der
besten Seite.
Die langgezogenen Strassen über die sanften Hügel entlang der
Felder und Äcker sind in einem unerwartet guten Zustand. Es gab zwar unterwegs
einige Baustellen mit Wartezeiten, doch dadurch sahen wir, dass der Staat
wenigstens versucht, die Verkehrswege zu verbessern.
Den
Mittagshalt verbrachten wir auf einer wirklich sehr schön gelegenen modernen
Raststätte mit grosszügig angelegtem Parkplatz.
Weiter ging
die rasche Fahrt, bis wir gegen 14.00 Uhr in Krasnojarsk eintrafen.
Wir fuhren
zum Hotel Hilton Garden Inn, da wartete bereits Joschka und Matthias (Ton-
& Kameramann vom SRF) auf uns.
Zum Zmittag durften wir uns auch am Buffet
bedienen. Das war ziemlich schräg für uns und wir kamen uns wie Ausserirdische
vor in diesem Kommerztempel. Wir waren ja schliesslich schon zwei Wochen
unterwegs durch den wilden Osten, hielten uns praktisch nur auf staubigen und
schlammigen Rastplätzen auf, in ölgetränkten Werkstätten und heimeligen
Fernfahrerkneipen. Was mich betrifft, ich kam mir im Hilton ziemlich deplatziert
vor.
Um ca. fünf Uhr nachmittags kamen Natalia und ihre Schwester Anastassia
zum Hotel um uns zu ihnen nach Hause zu führen.
Ein freudiges Wiedersehen!
Begleitet natürlich vom Fernsehen...
Wir fuhren
dann ohne das Kamerateam zu Natalias Eltern. Sie wohnen in Akademgorodok, zu
Sowjetzeiten war das die Forschungssiedlung. Da waren die ganzen
Forschungsstätten, Unis und die Wohnsitze der Akademiker in Plattenbauten. Sehr
schön gelegen am Stadtrand im Grünen mit viel Wald und Platz. Ruhig und
angenehm. Ganz herzlicher und warmer Empfang bei den Eltern. Natürlich gab es
zuerst mal etwas zu Essen. Nach dem Essen spazierten wir dem Jenissei-Ufer
entlang. Malerischer Ort, das Ufer steil abfallend zum Fluss, weiter Blick dem
Jenissei entlang in die Wildnis einerseits und über die Stadt andererseits.
An
der Böschung wachsen Edelweisse wie Unkraut!
Nach der Rückkehr zur Wohnung
redeten wir noch ein bisschen, dann endlich ins Bett. Jan und ich schliefen bei
Anastassia in der Nachbarswohnung und Lisa bei den Eltern.
Am nächsten
Morgen ein gutes Frühstück, dann machten wir uns in Begleitung von Natalia und
Anastassia mit dem Bus auf in die Stadt. Sie zeigten uns die katholische Kirche
mit der einzigen Orgel in Ostsibirien,
die orthodoxe Kirche,
wir schauten selbstverständlich
bei Lenin auf dem Zentralen Platz vorbei.
Eigentlich wollten wir ins Museum des
Malers Surikow, doch dies war wegen Reinigungsarbeiten heute geschlossen. Also
spazierten wir zum ethnografischen Museum, dass äusserlich im ägyptischen Stil
daherkommt. Schon ziemlich schräg! Doch zur Zeit der Errichtung dieses Museums
war Ägypten grad so in Mode! Das Museum zeigte eindrücklich die Geschichte von
Anbeginn der Zeit bis Heute mit vielen interessanten und spannenden Exponaten.
Auch viele uralte Fotografien waren zu bestaunen.
Am Abend
trafen wir uns mit dem Kamerateam an den steilen Ufern des Jenisseis.
Interessant war noch, dass es da viele Erdlöcher mit Metalldeckeln und Kaminen
gab. Natalia klärte uns auf, dass das die Keller der Mietwohnungen waren, wo
die Leute ihre eingemachten Lebensmittel, Kartoffeln, Gemüse usw. für den
Winter aufbewahren. In den Wohnsilos gibt es keine Keller. Also wird auf einem
Feld am Ufer einfach ein Loch gebuddelt, Deckel drauf, Kamin zum Belüften
montiert und gut ist!
Tags
darauf, es ist bereits Samstag der 23. Juli, versuchten wir es noch einmal mit
dem Surikov-Museum und hatten Erfolg damit. Heute war offen. Spannende
Ausstellung in seinem ehemaligen Wohnhaus. Mir gefallen seine Bilder. Nach
einiger Zeit gesellte sich die Kassiererin zu uns und begann aus freien Stücken
über die Bilder und das Leben des Künstlers zu erzählen. Jetzt wurde es noch
interessanter, denn sie machte uns auf viele Details und Vorgehensweisen des
Künstlers aufmerksam. Die Bilder bekamen so eine ganz andere Dimension. Sogar
auf eine Originalsitzbank aus dem 19. Jhd. durften wir uns setzen und ablichten
lassen! Was sonst strengstens verboten war.
Nach dieser
kulturellen Vollwertnahrung gab es dann noch etwas Weltliches zwischen die
Zähne. Und wir trafen uns mit dem Kamerateam bei Lenin. Gemeinsam schauten wir
uns nochmals den grosszügigen Platz an und gingen dann über die Strasse in den
Zentralpark. Eine riesige grüne Oase mit dem Flair eines Jahrmarktes.
Überall
Stände, Attraktionen, Achterbahnen und derartiges. Wir fuhren mit dem
Kettenkarussell, denn das mag ich wirklich.
Am Ende des Parkes, an den Ufern
des Jenisseis mussten wir noch ein längeres Interview geben für das Fernsehen. Das
war nach dem ganzen Tag in der Stadt doch etwas anstrengend.
Übrigens war die
Stadt in dichtem Smog verhangen, es gab Waldbrände in der Nähe und das
Aluminiumwerk tat sein Übriges dazu. Via Radio und Fernsehen wurden die
Einwohner sogar dazu aufgerufen, wenn immer möglich, die Stadt zu verlassen.
Bereits an
diesem Abend verabschiedeten wir uns von Natalias Eltern, denn sie werden
morgen früh aufstehen um auf die Datscha zu fahren. Selbstverständlich gab es
auch noch eine Besichtigung des Magirus’. Zu der Familie gesellte sich auch
noch das halbe Quartier. Nun ja, nicht gerade das halbe Quartier, doch noch
einige Leute. Durch das lernte ich auch noch Wassili aus Norilsk (Stadt im
hohen Norden Sibiriens) kennen. Ganz netter Mensch, der auch gerne reist.
Am
Sonntagmorgen hiess es dann für uns definitiv Abschied nehmen von Natalia,
Anastassia und ihrer Familie. Es war wieder einmal ein prächtiger und
allerliebster Besuch. Sie kümmerten sich liebevoll um uns, umsorgten uns, wo es
ging. Und ich darf, und soll, auf der Rückfahrt wieder zu Gast sein. Das werde
ich auch machen!
So fuhren
wir mit vollem Bauch und frohen Herzens weiter. Der heutige Tag soll nicht
allzu streng werden, es stehen bloss 400 Kilometer an. So um 17.00h erreichten
wir Tayshet, unser Nachtlager bei Igor. Ihn lernte ich via Internet kennen, das
heisst, er fand mich, resp. meine Webseite dort und nahm mit mir Kontakt auf.
Igor hat ein kleines Gasthaus, wo er viele Schweizer und Deutsche auf der Reise
mit der Tanssib beherbergt. Ausserdem spricht er sehr gut Deutsch. Wie dem auch
sei, kaum angekommen, hiess es gleich Banja!
Endlich wieder! Was für eine
Wohltat nach vier Tagen Grossstadt... Aber diese Banja ist definitiv auf
westliche Touristen ausgelegt, die nicht schon 7'500 Kilometer Russlands Strassen
reisten und sich bereits anderes gewohnt sind. Das Nachtessen war ausgiebig und
lecker, der Vodka dazu schmackhaft, die Ansprachen rührselig, die Lieder
berührend (jedenfalls was Lena, Igors Frau, vortrug, unsere waren so... na ja).
Jedenfalls wurde es wieder viel zu spät am Abend.
Nach einer
zu kurzen Nacht, einem zünftigen Frühstück und der obligatorischen
Abschiedszeremonie hiess es heute viel Fahren. Noch 650 Kilometer bis Irkutsk.
Auf den schon weit vorangekommenen Neubaustrecken liess sich gut fahren. Die
Sonne schien, der Motor brummte, wir kamen unserem Ziel immer näher. Und so
gegen halb acht abends erreichten wir Irkutsk wohlbehalten und unfallfrei.
Endlich, nach knapp 8'000 Kilometer kamen wir an unserem grösseren Etappenziel
an. Ich bin schon sehr froh und erleichtert da zu sein. Bei Igor in Irkutsk, in
der „Auberge théatrale“.
Es gab auch hier ein warmer und schöner Empfang. Mit
dem Fernsehteam gingen wir noch ein vorläufig letztes Mal essen, reisen sie
doch morgen alle zurück in die Schweiz.
Natürlich
fuhren wir am nächsten Tag zum Flughafen, um uns von ihnen zu verabschieden.
Vorallem Kay und Haris gehörten schon fast zur Familie, waren sie doch von Anfang
an dabei. Wir, und besonders ich, werde das Kamerateam in zwei Wochen nochmals
sehen, wenn sie mit mir in die sibirische Wildnis fahren werden.
Für’s erste
ist aber Schluss mit Kameras, Mikrofonen usw. Jetzt erst mal Urlaub. Keine
Marathonstrecken, einfach gemütlich.
Übermorgen
kommt Anna mit dem Flugzeug und darauf freuen wir uns alle sehr!
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